Fachbeiträge zu Deerhounds

In Australien gibt es nicht nur Känguruhs

Katrin Hubert Kühne

Australien ist ein Kontinent der Superlative.Es hat das trockenste Klima,das von Tropen,Subtropen bis in die Gemässigte Zone reicht. Hier findet man Tierformen, die sonst nur noch als Fossilien vorkommen.Schnabeltiere zum Beispiel oder Beuteltiere.Wen wundert es,wenn hier auch Deerhoundliebhaber fündig werden können. Und wirklich, auf diesem Kontinent werden Deerhounds seit ihrer Einführung vor über 100 J ahren teilweise immernoch als Hetzhunde eingesetzt und gezüchtet.

Auf zahlreichen Stichen und Gemälden kennt man Darstellungen der Hirschhetze mit Deerhounds. Nur zu gerne wird immer wieder darauf verwiesen, dass der Standard vor 100 Jahren noch für den Gebrauchshund verfasst wurde.Gerade im Zusammenhang mit Lure-Coursings wird jetzt häufiger mit Recht darauf hingewiesen,dass der Deerhound, ähnlich wie der Barsoi, ein Grosswildjäger sei. Aber sieht ein erfolgreicher Ausstellungshund,der ja besonders standardgetreu sein sollte,auch noch so aus.

Australien,das ausschliesslich durch England ab dem Ende des 18.Jahrhunderts (1788 Gründung der Sträflingskolonie Sydney) kolonisiert wurde,erlebte bis 1870 vor allem durch den Wolleexport einen beispiellosen Wirtschaftsaufschwung.Zu dieser Zeit gab es schon in grosser Zahl die seit 1860 aus Europa eingeführten Kaninchen,Füchse und Rotwild.Damals sollen auch die ersten Deerhounds von besonders reichen und anglophilen Farmern aus Grossbritannien geholt worden sein.Es kam in Mode,sich Hirschparks anzulegen,wie überliefert wird.Ab 1880 fanden auch die ersten Hundeausstellungen statt. Man gründete Zwinger und das Interesse an reinrassigen Deerhounds war gross.Ein guter Hund konnte bis zu 100 Pfund kosten,im Vergleich dazu betrug der Wochenlohn eines Arbeiters gerade mal 2 Pfund .Einige züchterisch wertvolle Hunde konnten laut alten Berichten aus Grossbritannien geholt werden, so auch vom berühmten Züchter Weston Bell. Zu dieser Zeit hatte sich die britische Zucht von ihrem Tief wieder erholt.Trotzdem scheint es damals nicht leicht gewesen zu sein, reinrassige und gute Hunde zu bekommen.

Um 1900 hatten sich die europäischen Kaninchen und Füchse,aber auch die Dingos, Känguruhs und Emus so sehr in dem neu entstandenen Farmland ausgebreitet,dass sie zu einem ernsthaften Problem für die Schaffarmer wurden.Die damals gebräuchlichen Kangaroo-dogs,eine Kreuzung aus Mastiff,Grey-und Deerhound, kamen gegen dieses Wild nicht an,da sie nicht schnell genug waren. Ein 1912 im 'Our Dogs' erschienener Artikel beschreibt,dass der australische Züchter M.C.Davies für die Bekämpfung dieses Wildes innerhalb kürzester Zeit eine sehr erfolgreiche Deerhoundzucht aufbaute.Zunächst verwandte er einheimische Deerhounds,später importierte er aus Grossbritannien die Hündin Newton Spey und den Rüden Lord Morag,ein Halbbruder der bekannten Ch.Selwood Dhouran und Ch.Callack,um neues Blut und mehr Typ in seine Zucht zu bringen. Berühmt waren auch die Moncrieffe-Deerhounds,die als die besten Jäger galten.Es wird in Berichten immer wieder betont,dass man einen reinrassigen Deerhound an seiner Grösse,Knochenbau und Gebrauchstüchtigkeit erkennen könne. Nur solche Hunde hätten genügend Kraft, Ausdauer,Schnelligkeit und Mut, um mit dem sehr wehrhaften australischen Wild fertigzuwerden.

Der 1.Weltkrieg liess den australischen Deerhound dann aber fast vollkommen verschwinden. In den 30er Jahren hielten nur noch ganz wenige diese Hunde, um sich mit von der Regierung bezahlten Prämien für Dingoskalps den Lebensunterhalt aufzubessern.

Zu den wenigen Enthusiasten,denen es zu verdanken ist,dass der Deerhound nicht vollkommen verschwand, gehört Dr.Donald Thomson.Nach langer Suche fand er in Neuseeland reinrassige Hunde, die dort noch zur Rotwildjagd eingesetzt wurden.In einem Artikel im "Newsletter Summer 94" des britischen Deerhoundclubs beschreibt seine Frau Doritha sehr anschaulich die Entstehungsgeschichte dieses berühmten und noch heute bestehenden Zwingers St.Ronans. Damals war es noch üblich,regelmässig zur Jagdsaison nach Neuseeland überzusetzen,um mit Deerhounds auf Hirschjagd zu gehen.Bei den Hirschen handelte es sich um aus Europa eingeführtes Rotwild.

3 Zwinger,nämlich wie schon erwähnt,St.Ronans von Mr und Mrs Thomson,sowie Atlas von Mr Venables und Heatherglen von Mr Mummery bauten nach 1935 auf diese neuseeländischen Importe ihre Linien auf. Alle drei Zuchten bestehen heute noch.

Im sehr aufwendig gemachten Pedigree Book des australischen Deerhoundclubs sind die Importe fast vollständig aufgelistet. Daraus geht hervor, dass nach dem 2.Weltkrieg wieder vermehrt Hunde aus Grossbritannien geholt wurden.

Riever of Geltsdale (Morven of Rotherwood x Irenic of Ross) geholt durch den Zwinger Heatherglen,war der erste ,der grossen Einfluss nahm. 1954 folgte Enterkine Fergus of Portsonachan,ein Enkel von Monarch of Ardkinglas,dann 1955 Woodman of Ardkinglas (Ulric of Ardkinglas x Stella of Ardkinglas).Diesen Rüden findet man vor allem in den Linien des Zwingers Atlas. Auch die Importe Liath of Portsonachan (Fitzroy of Ardkinglas x Hazel of Portsonachan) und Moss Trooper (Juniper of Ardkinglas x Anina of Kylewood),sowie der 1974 importierte Donich of Orbost ,ein Sohn von Chieftain of Ardkinglas.

1975 kamen Erceldoune Helm (Damff of Kylewood x Geltsdale Sallie) sowie die Geschwister Uptonmill Aspen und Arka,deren Grossvater Isambard of Ardkinglas war, wieder durch den Zwinger Heatherglen ins Land und fanden starke Verwendung.Es folgte 1979 Ardkinglas Hunter (Dufault Kilchoan x Ardkinglas Neva) .

Weitere Hunde wurden importiert,zu erwähnen wäre noch Kilbourne Sherry,eine Vollschwester von Kilbourne Shamus,die 1986 kam und Ardkinglas Hermes,ein Vollbruder von Ardkinglas Hadrian of Lealla.

Grossen Einfluss auf die Zucht hatte auch der 1984 durch den Zwinger Nelungaloo ins Land gebrachte Amerikaner Gayleward's Embassador. Im Gegenzug importierte damals seine Züchterin Gayle Bontecou den Rüden Nelungaloo Screw Loose,der amerikanischer Champion wurde und einige gute Nachzucht brachte.Die in den Niederlanden stehende Hündin Ch.Salutary's Sophia von Fam.Fernhout ist übrigens eine Enkelin von ihm.Gayle Bontecou wurde auf die Qualität der australischen Deerhounds aufmerksam,als sie zum Richten der dortigen Clubausstellung eingeladen wurde.

Bei der Durchsicht der ca 120 Pedigrees fällt auf, wie gezielt in den inzwischen ca 16 bis 18 Zuchtstätten versucht wurde und wird, die Importe in verschiedenen Kombinationen zu nutzen und zu verstärken.Insgesamt finden sich in mindestens 3/4 der Pedigrees gehäuft die Namen .Schwerpunktmässig sind dabei alle auch uns geläufigen Vererber des Zwingers Ardkinglas vertreten, aber auch andere wichtige Namen fehlen nicht. Selbst der importierte Amerikaner ist ein typischer Repräsentant der dortigen Zucht der 80er Jahre.

Als Miss Noble 1980 zum erstenmal die australische Clubausstellung richtete, soll sie laut Berichten darüber begeistert gewesen sein, dass sie hier noch einen Deerhoundtyp angetroffen habe,der eigentlich als verschwunden galt. Einer ihrer Aussprüche soll gewesen sein,für sie scheine "die Uhr zurückgedreht zu sein". Auch bei ihrem zweiten Besuch einige Jahre später äusserte sie sich ähnlich begeistert. Man darf allerdings nicht vergessen,dass sie eine leidenschaftliche Coursinganhängerin ist. Das hat sie mit Kenneth Cassels gemeinsam,einem weiteren Freund der australischen Deerhounds.Wie sie einmal äusserte,hätte sie gerne per künstlicher Besamung australisches Blut in ihre Zucht eingekreuzt, doch bekam sie hierfür leider nicht die Genehmigung des britischen Kennel Clubs. Aber auch die eher zum showdog geneigte Deerhoundzüchterin Nenne Runsten (Airescot) liess die Australier nicht kalt.Nachdem sie 1991 die australische Clubausstellung gerichtet hatte, importierte sie Nelungaloo Gypsy,eine Vollschwester des in der Schweiz stehenden Nelungaloo Complete.

Doch leider, auch in Australien muss man sich heute Gedanken darüber machen, wie man diesen Typ für die Zukunft erhalten kann.Denn selbst hier sind die,wie sich Virginia Hawke (Nelungaloo) so treffend ausdrückt, "coach-potatoes" (Sofa-Kartoffeln) im Vormarsch und die jüngeren Richter haben oft keine Ahnung mehr , wie ein Gebrauchshund aussehen sollte.

Einen Typverlust auf Grund falscher Auswahlkriterien,nämlich, um nur noch dem Geschmack der populären Allrounder-Richter zu genügen, glaubt auch die bekannte kanadische Deerhoundzüchterin Barbara Heidenreich (Fernhill) bei den Deerhounds zu erkennen.Die Uebersetzung dieses interessanten Artikels erschien im Juni-Heft 1991 im der Windhundfreund , in dem sie ihre grosse Sorge über die Zukunft der Deerhounds zum Ausdruck bringt. Eindringlich verweist sie auf den engen Zusammenhang zwischen Form und Funktion,eine Ballance,die so schnell durch einseitige Uebertreibungen gestört werden könne und dann auch diese Rasse ähnlich künstlich werden liesse wie es bereits oft bei Afghanen oder Barsois zu beobachten sei.

Aber noch gibt es Züchter in Australien, die ihre Zuchttiere auch nach jagdlichen Kriterien auswählen.Darunter fallen nicht nur körperliche Geschicklichkeit, sondern auch ein gutes Wesen und eine durch hohe Intelligenz bedingte Erziehbarkeit.Was nützt ein guter Hetzhund,wenn er nicht zwischen Farmvieh und Wild unterscheiden kann oder sich nicht erziehen lässt. Dass diese Hunde auch unkompliziert, leicht fortpflanzungsfähig, robust und langlebig sein sollten, versteht sich auf den manchmal recht abgelegenen Farmen von selbst. Auch scheinen Probleme mit Einhodern nicht bekannt zu sein. Ein gutes harsches Haarkleid,starkes Pigment,kleine Ohren,schöne trockene Köpfe,wenig weisse Abzeichen gut aufgeknöcherte Pfoten und ein schwungvolles Gangwerk gehören zu den oft betonten Stärken.Seltene Farben wie die im Standard erwähnten "black points", also einer schwarzen Maske, eine intensiv gelb-schwarze Stromung oder silbergrau kommen noch vor.Wie man in Richterberichten liest, sind geringe Grösse, schlechte Ruten und helle Augen die häufigsten Schönheitsfehler.

Beim Studium des Zuchtbuches wird deutlich,dass diese Hunde abstammungsmässig auf einem ähnlichen Hintergrund aufbauen wie unsere,uns also eine gute Chance für die Einkreuzung von neuem, frischem und doch nicht zu fremdem Blut bieten. Bei der momentan immer enger werdenden europäischen Zuchtbasis könnte dies neue Möglichkeiten eröffnen, zumal für sportlich interessierte Deerhoundfreunde.Die schweizerischen Importe haben sich jedenfalls im Renn- und Coursinggeschehen bereits bestens bewährt.

Auch züchterisch gab es die ersten bescheidenen Versuche,die zum Weitermachen ermutigen. So fiel in der Schweiz der A-Wurf 'from Highlanders Yard' nach Nelungaloo Sundown aus der in Deutschland gezogenen Bridget of Kintyre. Im deutschen Zwinger 'of the Scottish Highlands' gab es Nachzucht von Nelungaloo Complete (N-Wurf). Aquila from Highlanders Yard sorgte zunächst wiederum im Zwinger 'of the Scottish Highlands' (O-Wurf) und Mitte Januar 97 in der schweizer Zuchtstätte 'from Highlanders Yard' für australische Enkel . Anfang Februar 98 wird in dieser Zuchtstätte nochmals Nachzucht von ihm erwartet.